New Work für Arme und der Tsunami 4.0

Was wir heute unter „New Work“ verstehen

New Work kommt „elitär“ daher (Hendrik Epe). Das Konzept ist etwas für reiche Konzerne, die ihre Bürolandschaften verschönern, aufhübschen und von Innenarchitekten designen lassen. Hintergedanke ist auf der einen Seite natürlich der individuelle Wohlfühlfaktor und die Gruppenatmosphäre, aber auch das Nutzen und Bereitstellen von Begegnungsflächen vielfältigster Art. Und das ist auch gut so. Gut behandelte Mitarbeiter bringen mehr Produktivität und Ergebnisse. Wozu soll man sie knechten, wenn sie dadurch nicht unbedingt – im wahrsten Sinne des Wortes – zwangsläufig schneller oder besser laufen? Das macht also schon Sinn, wie Unternehmen New Work als Blaupause für die Zukunft der Arbeitswelt gestalten.

 

Aber: 

New Work ist kein Konzept, das sich nur auf hippe Büroarchitekturen, die Inneneinrichtung und die örtliche Location beschränkt. New Work ist auch ein gesamtgesellschaftliches Konzept, das weitreichende Folgen für die Art und Weise hat, wie wir wirtschaften, leben und das Gemeinwohl organisieren. Das wird von den allermeisten ausgeblendet und nicht unter den Begriff gefasst. Es ist allerdings aufgrund der Dramatik, die sich vor den Türen unserer Gesellschaft abspielen wird, wichtig in die Zukunft der nächsten 10-20 Jahren zu antizipieren. Es wird nämlich eine riesige Welle auf uns zukommen, die New Worker igendwie ausblenden in der Diskussion.

 

Tsunami 4.0

Was zwar immer wieder am Rand mitdebattiert wird, sind die Folgen der Digitalisierung und Automation auf die Gesellschaft. Es geht im originären New Work-Konzept nach Fritjhof Bergmann nicht nur um die Zukunft der Arbeitswelt, wie es häufig verkürzt für Arbeit in (!) Organisationen dargestellt wird, sondern um die Zukunft unserer Gesellschaft, was auch Arbeitsmodelle ausserhalb (!) von Organisationen betreffen wird, d.h. ehrenamtliche Arbeit, Bürgerengagement, etc. Die Ausmaße der Robotisierung und Digitalisierung unserer Welt, sind in vielen Bereichen vielleicht noch spekulativ, aber doch sehr realistisch in konkreteren Zukunftsszenarien absehbar, wenn sich nicht grundlegend etwas ändert. Diese massive Welle, die sich global über alle Industrien und Gesellschaften ergießen wird, nenne ich aufgrund ihrer Wucht „Tsunami 4.0“. Und er wird kommen, der Tsunami 4.0.

 

New Work für Arme

New Work, wie es derzeit in der Szene diskutiert und praktiziert wird, ist noch zu sehr konzentriert auf die gut ausgebildeten Fach- und Führungskräfte (oft verortet auch in der Start-Up-Szene) und nimmt zu wenig „einfache“ Berufsbilder in den Fokus: die Kassiererin im Supermarkt, den Handwerker, etc. Und New Work hat soziale Randgruppen und die „Armen“ der Gesellschaft erst gar nicht im Blick. Es wird im Zuge der Wegrationalisierung absehbar auch eine „useless class“ entstehen: Menschen, die als Arbeitskräfte einfach nicht mehr gebraucht werden und sich deshalb etwas Neues suchen müssen. Viele neue Berufe werden entstehen, aber nicht genug, um alle aufzufangen. Ein sozialer Verdrängungswettbewerb wird sich durch viele Berufsgruppen ziehen und auch einige Arme produzieren. Das wird soziale Unruhen provozieren, die wahrscheinlich auch in der ein oder anderen Form bis in die Unternehmen zurückschwappen. Das müssen wir im Blick behalten und nicht nur unsere Büros und Coworking-Spaces hübscher, leaner, agiler machen.

 

New Work für die Schönen und Reichen

Es kann deshalb New Work heute nicht nur darum gehen, denen, denen es ohnehin schon gut geht, ein noch „schöneres“ Arbeiten zu ermöglichen. Das sind tolle Tendenzen, wenn Führung sich durch Partizipation demokratisiert. Wenn Teams in agilen Organisationen beweglich auf den Märkten unterwegs sind. Dann können die Unternehmen sich flexibel den Turbulenzen der Märkte anpassen – und überleben. Aber: Solange sie damit Geld verdienen und das Auskommen sichern, sind New Work-Unternehmen damit aber auch in der Bringschuld, die Gesellschaft um sie herum zu versorgen, das Eco-system. Corporate Social Responsibilty gewinnt in einer echten New-Work-Society eine deutlich stärkere Rolle und geht weg von einem elitären Ego-System hin zu Regionen, Nationen und die Welt. Die strategische Marschroute lautet ganz klar: Vom Ego-System zum Eco-System (Otto Scharmer).

 

Unternehmen in der Bringschuld

Das „Kümmern“ und Versorgen aller, die nicht in Unternehmen arbeiten, weil sie schlicht und einfach wegrationalisiert wurden, wird zur Ehrensache – und staatlich mit einem bedingungslosen Grundeinkommen geregelt. In Organisationen muss der Blick deshalb auch über die eigenen Organisationsgrenzen hinweg in die Gesellschaft, die Arbeitsmärkte, die Sozialmärkte, etc. hinein reichen. Die relevante Umwelt muss deutlicher als zuvor in bestehende Geschäftsmodelle eingerechnet und bedacht werden. Eine reine Abgabe der Unternehmenssteuern, um damit gesetzlichen Anforderungen zu genügen, reicht m.E. nicht aus. Regionale Unternehmen müssen sich ihrer sozialen Verantwortung bewusst werden und an die Gesellschaft oder ihre Regionen/Cluster zurückgeben. Die Reichen geben an die Armen. Das hat was von Robin Hood, oder? Ich nenne es New Work – und soziale Gerechtigkeit.

3 Gedanken zu “New Work für Arme und der Tsunami 4.0

  1. Hat dies auf Toms Gedankenblog rebloggt und kommentierte:
    #NewWork oder die Bewegung dahinter beobachte ich mit einer gewissen Ambivalenz. Einer Ambivalenz, die sich auch in dem – im folgenden Artikel zitierten – elitären Gedanken wiederspiegelt. Umso mehr gefällt mir der Gedanke, den Tobias Illig ins Spiel bringt. Ein interessanter Nachdenkimpuls.

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  2. Ein super Artikel. Das Thema muss unbedingt in den Mittelpunkt von New Work gebracht werden. New Work und Feelgood Management darf sich nicht nur auf Konzerne und Bürojobs beziehen sondern auch und vor allem Mitarbeiter anderer Branchen und Berufe mit einbeziehen. Wichtig hier ist die individuelle Betrachtung, da ein Frieseur andere Ansprüche an Wohlbefinden hat als ein Automechaniker. In einigen Dingen wie zum Beispiel einer vorbildhaften Kommunikation zwischen Chef und Mitarbeiter wiederum gibt es sicherlich Überschneidungen. Ich werde mir in nächster Zeit dazu einmal Gedanken machen und dazu ebenfalls einen Artikel veröffentlichen. Vielen Dank schon einmal für den Impuls.

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  3. Für mich hat New Work auch was mit einer Werteveränderung zu tun: Wofür wollen wir unser Geld ausgeben. Das gilt für Privathaushalte ebenso wie für die öffentliche Hand. Heute sind die meisten sozialen Tätigkeiten wie Kranken- und Altenpflege aber auch die Erziehung der Kinder im Vorschulalter vergleichsweise schlecht bezahlt. Wir geben unser Geld teilweise für sehr unsinnige Dinge aus und halten das für normal. New Work heißt für mich: Es muss sich was an den alten Denkmodellen – an unserem Mindset – verändern. Danke für diesen anregenden Artikel.

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